Sommertraining

Ab und zu werde ich gefragt, was ich denn im Sommer mache?

Das Sommertraining eines Skirennfahrers ist vielseitig und spannend. Das Training ist einfach gesagt, wie eine Pyramide aufgebaut. Jedes Element ist also wichtig für das darauffolgende, damit alles hält, und nicht in sich zusammenfällt. (Ein kleiner Reim für die aufmerksamen Leser/innen ;))

Das Fundament bildet das Ausdauertraining. In dieses wird relativ viel Zeit investiert. Durch viele Stunden Radfahren, Wandern oder Joggen werden die Grundlagen trainiert, damit sich der Körper nach intensiven Trainings oder anstrengenden Skitagen schneller erholen kann. Das zweite Element bildet das Kraftausdauertraining. Hier kommen für die meisten Skirennfahrer die Hantelstangen zum Einsatz. Dabei liegt der Fokus nicht auf dem Gewicht, sondern auf der Anzahl Ausführungen (viele Wiederholungen mit leichteren Gewichten). Nach einer gewissen Zeit wird die sogenannte Maximalkraft trainiert. Wie es der Name schon sagt, geht es hier darum, möglichst viel Gewicht zu stemmen. Dementsprechend in einem kleineren Umfang (Qualität vor Quantität).
Was jetzt noch fehlt sind Skitrainings und schnellkräftige Beine, um der Pyramide den letzten Schliff zu geben. Dann bin ich für den Winter gewappnet, um angreifen zu können. Für diesen letzten Schliff bleiben mir noch ein paar Monate, welche ich voll auskosten werde, um zum Saisonstart bereit zu sein.

Urs Kryenbühl
Saisonrückblick / Rennsportnachrichten 2019/20

Die etwas verkürzte Saison 19/20 gehört der Geschichte an.

In der aktuellen Ausgabe der Rennsportnachrichten findet ihr eine Zusammenfassung meiner bis anhin erfolgreichsten Weltcupsaison. Ich diesem Rückblick werden die positiven sowie negativen Ereignisse meiner Saison inkl. Vorbereitung und ein paar Extras in einem kleinen Magazin zusammengeführt.

Viel Spass beim Lesen :)

Rennsportnachrichten 2019 / 20
Urs Kryenbühl
Comeback & Saisonende in Kvitfjell (NOR)

50 Tage! Solange habe ich täglich gearbeitet, um mich von meiner Verletzungspause zurück in den Weltcup zu kämpfen. Nach dem Anriss des Syndesmosebands, den ich mir in Wengen zugezogen hatte, fühlte ich mich erstmals in Kvitfjell (NOR) wieder bereit, ein Abfahrtstraining zu bestreiten. Ich wusste nicht genau, was auf mich zukommen würde, dementsprechend fuhr ich etwas verhalten. Die kleinen Schläge, die während der Fahrt meinen Fuss belasteten, waren gut spürbar. Deshalb war es für mich nicht ganz einfach, die nötige Überzeugung an den Tag zu legen. Am Renntag durfte ich erstmals, mit der Nummer zwei, unter den besten 20 Athleten der Welt starten. Die beiden durchzogenen Trainingsresultate hatte ich im Hinterkopf. Die Ränge 54 und 57 waren nicht das beste Futter für mein Selbstvertrauen. Nichtsdestotrotz freute ich mich riesig, wieder im Skizirkus dabei zu sein und das ganze Spektakel wieder miterleben zu dürfen. Ich versuchte mich voll und ganz auf das Wesentliche zu konzentrieren, die Schmerzen im Fuss auszublenden und den Spass und die Freude am Skifahren hervorzuholen. Mit einer grossen Steigerung gegenüber den Trainingszeiten, landete ich auf dem 19. Schlussrang. Dieser war gleichzeitig mein bis anhin drittbestes Weltcupergebnis in der Abfahrt.

Da am darauffolgenden Tag der Super-G aufgrund des schlechten Wetters abgesagt wurde, war die Abfahrt am Vortag der letzte Weltcupeinsatz dieses Winters. Ein gelungener Abschluss! Als 15. in der Abfahrtsgesamtwertung beendete ich überglücklich die für mich eher kurze, aber sehr emotionale Weltcupsaison.

Urs Kryenbühl
Verletzung des Syndesmosebandes in Wengen und Reha Zuhause

Etwas verspätet melde ich mich hier auf meiner Homepage zurück. Die letzten Tage waren für mich wie eine Achterbahnfahrt. Es gab Hochs und Tiefs binnen weniger Tage.

Die Tage nach meinem Erfolg in Bormio waren nicht gerade entspannend. Das Telefon und mein E-Mail Account liefen heiss. Beinahe pausenlosen durfte ich Interviews geben und Nachrichten oder andere Anfragen beantworten. Das Interesse seitens Medien war gross und so konnte ich das erste Mal einen kleinen Einblick in die Welt eines “Skistars” werfen.

Trotz allem konnte ich mir ein paar freie Minuten während dieser eher stressigen Zeit schaffen. Dies war sehr wichtig, damit ich für die Lauberhornwoche wieder voller Motivation und mit geladenen Batterien am Start stehen konnte. Im ersten Training kam dann die Ernüchterung. Nach einem Innenskifehler landete ich in den Fangnetzen. Nachdem ich aus den Netzen befreit wurde, konnte ich selbst ins Ziel fahren. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich nie daran gedacht, dass mein Start am Rennen gefährdet sein sollte. Nach einer genauen Untersuchung kam dann doch der Dämpfer. Ich hatte mich am Syndesmoseband verletzt. Einerseits war ich natürlich sehr enttäuscht, andererseits war ich froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Der Kopf sowie die Knie sind beim Sturz heil geblieben. In Anbetracht dessen, dass sich mein Fuss in den Fangnetzen um 180 Grad gedreht hat, ist dies sicherlich nicht selbstverständlich.

Mittlerweile befinde ich mich mitten in der Reha und auf gutem Weg zurück. Nach meiner persönlichen Einschätzung werde ich diesen Winter nochmals ins Renngeschehen eingreifen können. Wie lange die Pause noch dauert, wird sich zeigen. Zwischenzeitlich trainiere ich so gut es geht, um meine Kraft zu erhalten und um für ein allfälliges Comeback bereit zu sein.

Urs Kryenbühl
Bormio und mein erster Podestplatz!

Wow! Eine Woche, die mir für immer in Erinnerung bleiben wird.

Die Pista Stelvio in Bormio zeigte sich in diesem Jahr von der schönsten Seite. Nicht nur aufgrund des guten Wetters, sondern auch die Beschaffenheit der Piste zeigte sich in einem Topzustand. Dies liess gute Zeiten mit hohen Startnummern zu.

Im ersten Training konnte ich eine solide Fahrt zeigen und landete so auf dem starken neunten Rang. Auf der eisigen und sehr ruppigen Piste ist es extrem wichtig, mit genügend Spannung und der richtigen Einstellung an den Start zu gehen. Dies versuchte ich am Freitag in der verkürzten Abfahrt umzusetzen, die aufgrund der Absage von Gröden nachgeholt wurde. Mit einer beherzten Fahrt gelang mir in der Rangliste ein riesiger Sprung nach vorne. Ich schaffte es mit der Startnummer 43 auf den 13. Rang, was das bislang beste Ergebnis meiner Karriere war. Dies schaffte das nötige Selbstvertrauen und die Überzeugung, dass in Bormio noch mehr drin liegen würde als ein Top 15 Resultat.

Am darauffolgenden Tag konnte ich dann in den Top 30 starten. Ich nahm das Rennen optimistisch mit der Startnummer 25 in Angriff. Der vierte Top 30 Startplatz sollte mein bislang erfolgreichster werden. Eine angriffige wie auch sehr saubere Fahrt katapultierte mich auf den unglaublichen zweiten Schlussrang. WOW! Ich traute meinen Augen nicht, als ich die Anzeigetafel im Ziel betrachtete. Perplex starrte ich in die tobende Zuschauermenge und wieder zurück auf die Anzeigetafel. Die Zeit schien stillzustehen. Ich suchte meine Familie im Getümmel der jubelnden Leute und vergass beinahe, mich über meinen Erfolg zu freuen und zu jubeln. Nach einem intensiven Interviewmarathon, Ski- und Rennanzugkontrolle durfte ich dann auf das Podest steigen. Dies mit den momentan besten Abfahrern der Welt, namentlich Dominik Paris und Beat Feuz. Eindrücke, welche mir für immer in Erinnerung bleiben werden.

Etwas geschafft von den vielen Emotionen und Eindrücken, wagte ich mich am nächsten Tag an meine erste Weltcup Super-Kombination. Mein primäres Ziel war es, eine gute Platzierung im Super-G herauszufahren. Dies sollte mir wichtige Punkte für die nächsten Weltcuprennen im Super-G bringen. Diese Punkte begünstigen eine tiefere Startnummer.

Mit Startnummer 47 ging ich ins Rennen und ein weiteres Mal konnte ich nicht glauben, was ich sah. Nach der Super-G Fahrt leuchtete die Zahl 5 auf dem grossen Monitor im Zielraum auf. “Was ist hier nur los?”, dachte ich. Somit hatte ich meine gewünschten Punkte in der Tasche, sofern ich den Slalom ins Ziel bringen würde. Deshalb hiess meine Devise: Im Slalom nichts riskieren und sicher ins Ziel fahren, so fuhr ich dann dementsprechend verhalten. Fünf Sekunden Rückstand und tonnenschwere Beine konnten mich im Ziel aber nicht davon abhalten, meine Freude kund zu tun und den Moment zu geniessen. Ich strahlte und konnte mein Grinsen nicht verkneifen. Ich durfte meine bis anhin besten Weltcuptage der Karriere feiern.

Bormio Abfahrt (Platz 2) Eurosport
Bormio Abfahrt (Platz 2) Schweizer Fernsehen
Urs Kryenbühl